Ungarn und das "Anti-Homosexuellen-Gesetz"


Ungarn und das "Anti-Homosexuellen-Gesetz"

Jan Sergooris

Quelle:
Nieuwsbrief Knooppunt Delta - Nr 161 - September 2021

Victor Orban macht sich mit seinem neuen Gesetzentwurf zur Pädophilie und zur Verantwortung für die Sexualerziehung junger Menschen einmal mehr zum Gespött der EU.

Politiker und Medien in Westeuropa bezeichneten dieses neue Gesetz sofort als "Anti-Homosexuellen-Gesetz" und starteten eine Hasskampagne.  Wir gehören keineswegs zu den blinden, eingefleischten Fans von Victor Orban, sondern möchten die skandalöse Art und Weise anprangern, mit der die westlichen Medien ihre Berichterstattung über Ungarn und andere osteuropäische Demokratien gestalten.


Die ungarische Justizministerin Judit Varga (Fidesz) ('t Pallieterke 1/7/2021) stellt in ihrer Erläuterung des Gesetzentwurfs fest, dass es sich keineswegs um ein Anti-Homosexuellen-Gesetz handelt, sondern dass der Entwurf in erster Linie auf Pädophile abzielt und Minderjährige besser schützen will, als dies derzeit der Fall ist. Unter anderem soll ein Register pädophiler Straftäter eingeführt werden, die nicht nur von der Gesundheitsfürsorge, dem Bildungswesen und staatlichen Diensten, sondern vorzugsweise auch von Vergnügungsparks, Zoos, Sportvereinen usw. ausgeschlossen werden sollen. Wichtig bei der ganzen Aufregung ist, dass der Gesetzgeber festlegt, dass die Sexualerziehung in erster Linie Sache der Eltern und des Bildungswesens und nicht das Privileg aktivistischer NRO ist. Diejenigen, die Auskünfte erteilen dürfen, müssen rechtlich anerkannt sein. Darüber hinaus wird ein Kontrollsystem für Medienproduktionen eingeführt. So ist es beispielsweise verboten, Jugendlichen unter 18 Jahren Pornografie oder die Förderung von Homosexualität oder Transgenderismus anzubieten. Der Minister betont, dass das Gesetz nichts enthält, was erwachsene Homosexuelle oder Transgender diskriminieren würde.

Es stellt sich die Frage, warum Westeuropa auf Betreiben der LGBT-Lobby so hysterisch reagiert? Das eigentliche Problem mit der EU besteht darin, dass Ungarn sich weigert, die "Gender-Ideologie" mitzumachen, die der Gesellschaft von der EU und der UNO sowie von aktivistischen Lobbygruppen aufgezwungen wird. In Flandern ist es die militante Bewegung Cavaria, die in den Schulen ihren "Glauben" predigt.

Worum geht es hier? Die Gender-Ideologie geht davon aus, dass die sexuelle Identität die subjektive Wahrnehmung des eigenen Geschlechts und der eigenen sexuellen Präferenz ist. Das bedeutet, dass man nicht als Mann oder Frau geboren wird, sondern dass zuerst ein Mensch, ein Individuum auf die Welt kommt und erst dann das biologische Geschlecht damit verbunden ist. Indem sie das Geschlecht radikal vom biologischen Geschlecht loslöst, vertritt sie die These, dass die sexuelle Identität in keiner Weise vom biologischen Geschlecht abhängt, sondern von den sozialen Rollen, die dem Einzelnen durch seine Erziehung oder Kultur zugewiesen werden. Das Geschlecht ist also nur das Ergebnis einer sozialen Verinnerlichung, einer bestimmten Anzahl von Konditionierungen, von "Vorurteilen" oder "Stereotypen", die unter kulturellem oder sozialem Druck, unter dem Druck der Traditionen, der Erziehung, der Familie usw. übernommen werden, so die Theorie. Es handelt sich also eindeutig um eine Ideologie im religiösesten Sinne des Wortes.

Die Diskussion über die LGBT-Gesetzgebung sollte vor dem Hintergrund der Diversity-Obsession der Gender-Bewegung gesehen werden, die die politische Überzeugung vertritt, dass sexuelle Minderheiten von der Mehrheit unterdrückt werden und daher befreit werden müssen. LGBTQIAP steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer, intersexuell, asexuell und alle anderen sexuellen Orientierungen, Geschlechter und Gender, die nicht unter die anderen Buchstaben fallen. Mit anderen Worten: Die Geschlechtervielfalt ist so groß wie die Zahl der Menschen.

Esther Van Fenema stellt in "Diversity, Identity and the Culture Wars" fest, dass es natürlich wichtig ist, für Minderheiten einzutreten, die an den Rand gedrängt oder ausgegrenzt werden, aber die Diskussion über Gender wird zunehmend ideologischer, wobei sich die Bedeutung des Begriffs "Gender" verschiebt und eine politisch aktivistische Konnotation annimmt. Für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen einzutreten ist eine Sache. Aber in der Gender-Ideologie geht es um die Abschaffung von Männlichkeit und Weiblichkeit. Die Diskussion über die Geschlechterfrage nimmt damit immer mehr ideologische Züge an und wird Teil einer politischen Agenda. Laut Fenema zeigen Untersuchungen, dass 0,6 bis 0,7 % der Erwachsenen in den Niederlanden eine Identität haben, die nicht mit dem bei der Geburt festgelegten Geschlecht übereinstimmt. Griet Vandermassen spricht von 0,018 % intersexuellen Menschen, "immer noch viel zu wenig, um unsere Vorstellung von männlich und weiblich als natürliche Grundkategorien in Frage zu stellen". Aus einem Rundschreiben des Innenministeriums geht hervor, dass in Deutschland bis Ende 2020 nur 300 Personen ihr Geschlecht gegenüber deutschen Beamten als "divers" bezeichnet haben (das entspricht 0,00043 % der Gesamtbevölkerung). Seit 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht der Klage einer intersexuellen Person stattgegeben, um die Kategorie "divers" zusätzlich zu "männlich" und "weiblich" zu benennen. Die Behörden hatten die Zahl der potenziell betroffenen intersexuellen Menschen auf 160.000 geschätzt (Pal NWS 7/5/2021).

Es ist interessant zu untersuchen, auf welch perfide Art und Weise diese Gender-Ideologie von einer aktivistischen, militanten Elite durchgesetzt wird und welche Auswirkungen dies in der Politik, im akademischen Umfeld und in der Geschäftswelt hat.

Hier sind einige Beispiele.

Zum Beispiel: In mehreren westlichen Ländern werden Männer- und Frauentoiletten als Beispiele für binäres Denken und normative Gewalt (!) angesehen. Deshalb gibt es in Rathäusern, Universitätsgebäuden, Ministerien und Museen immer mehr geschlechtsneutrale Toiletten.


Ein typisches Beispiel: In Frankreich sieht ein von der Nationalversammlung verabschiedetes Gesetz vor, dass französische Schulen Mutter und Vater in Verwaltungsdokumenten durch Elternteil 1 und Elternteil 2 ersetzen müssen. Dies dürfte der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Eltern ein Ende setzen. Im Vereinigten Königreich wird diese Maßnahme bereits seit 2011 in offiziellen Dokumenten angewendet.

Beispiel: In Deutschland will eine Minderheit eine geschlechtsneutrale Hymne ohne die diskriminierenden Begriffe Vaterland und Brüderlich.

Beispiel: Der flämische Familienverband ist der Ansicht, dass es nicht akzeptabel ist, wenn Spielzeuggeschäfte Spielzeug nach Geschlechterstereotypen einstufen. Auf diese Weise halten Geschäfte und Spielzeughersteller die Klischees darüber aufrecht, was Jungen und Mädchen mögen sollten. Um das Problem in den Griff zu bekommen, will der Familienverband Testkäufer einsetzen, die die Anordnung der Spielzeuge in den Geschäften überprüfen sollen.


Beispiel: Die britische Supermarktkette Waitrose ändert den Muttertag auf Grußkarten in das geschlechtsneutrale "You Day" um. Ziel ist es, die Verwendung des Begriffs "Mutter" zu reduzieren, um den Tag "transgender-integrativ" zu gestalten. Die Kette Scribbler bietet Muttertagskarten wie "zwei Mütter sind besser als eine" an, und in einigen britischen Schulen wird der Begriff "a day for special people" für den Muttertag verwendet.
 

Beispiel: Das Bekleidungsgeschäft Hema hat beschlossen, seine Kinderregale geschlechtsneutral zu gestalten, also keine Unterscheidung zwischen Jungen und Mädchen, sondern zwischen Kindern.

Beispiel: An der Universität von Dundee (Schottland) wurde ein Student bestraft, weil er behauptet hatte, Frauen hätten eine Vagina. Eine Professorin an der Universität von Exeter (VK) war so dreist zu behaupten, dass nur Frauen ihre Periode haben können. Ihr Vergehen: Beide hatten in ihrer Erklärung die Transgender-Gemeinschaft vergessen und sich somit der Diskriminierung schuldig gemacht. Es ist also nicht mehr erlaubt, von Frauen zu sprechen, sondern von Menschen, die menstruieren. In den Universitätskliniken von Brighton und Sussex wurde der Begriff Muttermilch durch Muttermilch und das Wort Mutter durch "gebärende Mutter" ersetzt.

Beispiel: Die Stadt Amsterdam hat einen geschlechtsneutralen Sprachführer veröffentlicht. Sie empfiehlt, bei der Geburt von Mädchen die Formulierung "bei der Geburt als Mädchen gesehen" zu verwenden. Sehr geehrte Damen und Herren" kann besser durch "sehr geehrte Anwesende/Einwohner/Ratsmitglieder" ersetzt werden.
 
Schlussfolgerung: Bei der Gender-Ideologie geht es um viel mehr als um das Eintreten für die Rechte von Minderheiten in unserer Gesellschaft (wie es gerne dargestellt wird). Es handelt sich im Wesentlichen um ideologische Propaganda, die als Sexualerziehung getarnt ist und von einer linksliberalen Elite geleitet wird. Die autoritäre EU versucht, den Menschen in Europa ihre Denkweise ohne demokratische Unterstützung aufzuzwingen. In den Ländern des ehemaligen Ostblocks, in denen der Gemeinschaftssinn viel wichtiger ist, ist dies weniger erfolgreich. Das neue Gesetz wurde im ungarischen Parlament mit 157 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme angenommen. Interessant ist auch, dass Orbans Partei, Fidesz, im vergangenen Jahr in den Umfragen zwischen 44 und 52 Prozent lag, was in der Mainstream-Presse kaum Beachtung findet. In seiner Argumentation beruft sich Orban auf die EU-Grundrechtecharta, in der festgelegt ist, dass Bildung ausschließlich in die nationale Zuständigkeit fällt. Man muss kein Orban-Kenner sein, um zu bemerken, dass in seiner Argumentation kein demokratischer Stift steckt. Mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zeigt die EU schwarz auf weiß, dass sie sich immer mehr in Richtung dessen bewegt, was sie Ungarn vorwirft: eine Autokratie, aber ohne demokratische Legitimation.
 
Jan Sergooris

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